Erschöpft vielleicht auch etwas kränklich, eventuell nachdenklich, die Lippen geöffnet, als ob er etwas sagen möchte (manche erkennen darin hingegen eine getreue Darstellung der berühmten vorstehenden Habsburgerlippe) – so präsentiert sich „Erzherzog“ Rudolf IV. in dem um 1360 von einem unbekannten Künstler angefertigten Porträt. Ein Porträt, das in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich ist. Zum ersten, weil der Titel Erzherzog, der sich in der Inschrift mit dem das Porträt überschrieben ist, lesen lässt, bekanntermaßen eine Erfindung Rudolfs ist.
Rudolf IV. (vielen besser als „der Stifter“ bekannt) versuchte durch diesen Titel das Haus Habsburg aufzuwerten, nachdem dieses (da es kein Kurfürstentum war) von Kaiser Karl IV. in der so genannten „Golden Bulle“ kein Wahlrecht bei der Wahl des Königs des Heiligen Römischen Reiches zugesprochen bekommen hatte.
Zum anderen handelt es sich bei dem Porträt um einen „Meilenstein der Kunstgeschichte“, wie Johanna Schwanberg, Direktorin des Dom Museums, erläutert. Faszinierend an dem Porträt ist „dass sich Rudolf der Stifter – der für uns mit der Universitätsgründung und dem Ausbau des gotischen Stephansdoms so wichtig ist – hier als kreativer sowie wagemutiger junger Machthaber mit einer erfundenen Kopfbedeckung, die an eine Kaiserkrone erinnert, zeigt. Zugleich wird er, wenn wir das Bild mit einem psychoanalytischen Blick betrachten, verletzlich, vielleicht auch bisschen kränklich und sensibel, dargestellt“, so Schwanberg.
Tatsächlich ist das Bildnis Rudolfs das erste Porträt in der abendländischen Malerei nach der Antike in Dreiviertelansicht, fast von vorne, das einen Menschen jenseits eines erzählerischen oder sakralen Zusammenhangs in individualisierter Form zeigt. Dadurch wird der Mensch – anders als bei typisierten Darstellungen oder Ansichten von der Seite – für uns als Person zugänglich. Durch die Jahrhunderte hindurch blickt uns Rudolf IV. ins Gesicht.
Das Bild gilt als Kernstück der Sammlung historischer Kunst im Dom Museum. Präsentiert wird es in unmittelbarer Nachbarschaft zur Grabhülle Rudolfs IV., in die der Leichnam des einstigen Herrschers 600 Jahre lang eingenäht war. Letzteres ein mit Goldfäden bestickter Seidenstoff auf dem in arabischen Schriftzügen Segenswünsche für einen Herrscher des Mongolenreichs geschrieben stehen.
Als Rudolf in Mailand starb war er 26 Jahre alt. Viele Herrscherporträts der folgenden Jahrhunderte nahmen sich die Darstellung im Dom Museum zum Vorbild. Seit diesem Monat kann man das Bild zudem in einem Relief, das für blinde und sehgeschwächte Menschen gefertigt wurde, auch mit einem weiteren Sinn erfahren.
Porträt Herzog Rudolf IV.
Prager Hofwerkstatt(?), um 1360
Temperamalerei auf ungrundiertem, über Fichtenholz gespanntem Pergament
Leihgabe der Domkirche zu St. Stephan in Wien
Dom Museum Wien
Stephansplatz 6
1010 Wien
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag 10 bis 18 Uhr , Donnerstag 10 bis 20 Uhr
Montag, Dienstag geschlossen
www.dommuseum.at
Inschrift:
„Rudolfus Archidux Austrie ecetera“ – „Der Erzherzog von Österreich und weiterer Länder“.
© Titelbild: Hertha Hurnaus, Dom Museum Wien
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